In alter Zeit war deutlich mehr Wissen über Verhütungsmethoden bekannt als heute. Die Möglichkeiten, zu verhüten waren offenbar sehr reichhaltig und wirksam, wie anhand der Bevölkerungszahlen und Überlieferungen belegt werden kann.1)Die Vernichtung der weisen Frauen – Hexenverfolgung, Menschenproduktion, Kinderwelten, Bevölkerungswissenschaft von G. Heinsohn und O. Steiger 2. Auflage 1985 1. Teil Kapitel II & III in Verweis auf Empfängnisverhütung – Geschichte Ihrer Beurteilung in der katholischen Theologie und im kanonischen Recht von John T. Noonan Es galt in vorchristlicher Zeit die Regel, kein Kind in die Welt zu setzen, dem keine Zukunft versprochen werden kann.2)Heinsohn & Steiger S.57 selber Verweis Dann hat sich die Verhütungssituation durch die Christianisierung der Kirche und ihre Weltsicht enorm verschlechtert. Geschlechtsverkehr sollte ausschließlich zur Fortpflanzung dienen und Sex war nur noch in der Ehe erlaubt. Die Kirche kehrte die vorherige Selbstverständlichkeit um und predigte gegen die Verhütung als Eingriff gegen Gott, was sie mit weltlicher Macht und großer Gewalt durchzusetzen vermochte.
Doch nicht allein die Kirche hatte ein Interesse daran, die zweite große Macht der Fürsten, unterstützte das Vorhaben mittels Justiz und verankerte es in den Gesetzeswerken. Davon sind bis heute Reste sichtbar, wie z.B. das Verbot, Informationen über Abtreibung bekannt zu geben.3)§ 219a StGB
Den Ausschlag für die massenhafte Verfolgung gab wahrscheinlich die Pest, sowie ein starker und plötzlicher klimatischer Einbruch. In relativ kurzer Zeit wurden 25-60% (je nach Region) der Menschen dahingerafft und das führte zu großem Arbeitskräftemangel. Diesen traf besonders die Kirche sowie die staatlichen Strukturen und Fürsten. Durch den Arbeitskräftemangel stieg das einzelne Leben in seinem Wert und die Bauern sicherten sich bereits größere Rechte, was den Herrschenden sicherlich missfiel. Die damals noch selbstbewussten, lasziven Frauen waren nicht freiwillig dazu zu bewegen, häufiger zu gebären und ganz allgemein widerspenstig (wohl auch wegen der Frauenfeindlichkeit der christlichen Lehre).
Nun jedenfalls begann die Kirche mit religiösen Begründungen zum Schutze des ungeborenen Lebens und der Befreiung Aller von den Hexen (weisen Frauen und Heilerinnen) eine grausame Verfolgung. Diese richtete sich jedoch im wesentlichen gegen das Wissen und nicht gegen das weibliche Geschlecht, dass jedoch häufiger darum wusste5)Heinsohn & Steiger S.31 (80% der Verfolgten waren Frauen). Alsbald wurden auch entsprechende staatliche Gesetze geschaffen und das Recht so angepasst, dass für angeklagte Hexen kaum eine Chance bestand, sich zu verteidigen (wie z.B. eine geänderte Beweisführung, welche eine zweifelsfrei bewiesene Unschuld der falschen Beschuldigung von Hexerei verlangt).6)Heinsohn & Steiger Kapitel IV S.90 Gemeinsam ging man etwa 300 Jahre lang (15.-17. Jahrhundert) hart gegen solches Wissen und ihre Trägerinnen vor. Wie nachhaltig das Wissen vernichtet ist sehen wir heute, wo man in der Regel nichts mehr davon weiß.7)Heinsohn & Steiger Kapitel III
Ein wesentliches Merkmal der Hexenprozesse war der Kampf gegen Genuß-Sexualität, Verhütungswissen und -praxis, die fortan verteufelt wurden. Anfangs traf es besonders die Hebammen, die solches Wissen weitergaben und lehrten, später jede Frau die verdächtigt wurde, zu verhüten und ihre Familie die sie womöglich gelehrt hat. Ebenfalls beargwöhnt wurde alles, was die fortpflanzungsfreie Genuss-Sexualität stimulieren konnte, was bis zum Tod auf dem Scheiterhaufen führen konnte: das Singen, das Trommeln bestimmter Rhythmen, der Tanz und nächtliche Feste zu Vollmond, psychoaktive Drogen, die Muße und die Sauberkeit; der Gang in die überall vorhandenen Badehäuser und der außereheliche Geschlechtsverkehr (Unzucht).8)Wer verfolgte die Hexen und warum? von Ottmar Lattorf
Im Hexenhammer behaupten die Autoren, dass die Hexen-Hebamme durch siebenfache Hexerei wirke:9)Heinsohn & Steiger Kapitel IV S.77 ff, eingeklammertes stammt nicht aus dem Hexenhammer, sondern ist die Interpretation von Heinsohn & Steiger aus einer Analyse des Buches
- dass sie die Herzen der Menschen zu außergewöhnlicher Liebe etc. verändern
(Unzucht & Ehebruch, für welche Verhütungswissen nötig ist) - dass sie die Zeugungskraft hemmen
(männliche Verhütung und Unfähigkeit zur Begattung) - die zu diesem Akt gehörigen Glieder entfernen (Kastration & Sterilisisation)
- die Menschen durch Gaukelkunst in Tiergestalt verwandeln
(Verkehr mit Tieren & Homosexualität, Sexualbefriedigung ohne Zeugung)10)Hier könnte auch die Astralprojektion (Bewusstseinsverlagerung) in Tiere gemeint sein oder halluzinogene Drogen, welche eine solche Verwandlung vorgaukeln.
Die Autoren Heinsohn & Steiger kamen aufgrund der Analyse „der ausführlichen Erörterungen der Autoren [des Hexenhammers], ob und wie diese sieben Hexereien möglich sind“ zu dem Ergebnis, es gehe dabei um den Verkehr mit Tieren sowie Homosexualität - die Zeugungskraft seitens der weiblichen Wesen vernichten (Empfängnisverhütung)
- Frühgeburten bewirken (Abtreibung)
- die Kinder den Dämonen opfern (Kindestötung)
Sexuelle Lust und Begierde sind für den Kirchenvater Augustinus Folge des Verlusts der ursprünglichen Gnade durch den Sündenfall. Die Ehe gilt als gottgewollt, da die Fortpflanzung nötig ist, der sexuelle Akt dagegen gilt als schändlich wegen der Lustempfindung und der Eigenmächtigkeit der sexuellen Begierde. Diese Sicht hat Sexualität und Sünde praktisch gleichgesetzt und sie hat Liebe und körperliche bzw. sexuelle Lust getrennt.11)Religion und Lust: „Alles Schöne ist Sünde! – Ist alles Schöne Sünde?“ von Doris Strahm – Vortrag im „Café philosophique“ der röm.-kath. Pfarrei und der ev.-ref. Kirchgemeinde Rheinfelden am 19. März 2002
Kirchlich gesehen war die Verhütung eine Verschwendung männlicher Zeugungskraft und ein Verbrechen gegen die Natur, das dem Mord gleichkommt. So vertrat es Thomas von Aquin und Mitte des 16. Jahrhunderts wurde es auf dem Konzil von Trient festgeschrieben. Verhütung und Selbstbestimmung der Frau war religionspolitisch nicht erwünscht.12)Empfängnisverhütung bei Naturvölkern von James DeMeo In der Constitutio Criminalis Carolina von 1532, die unter Karl V. verfasst wurde, steht auf Verhütung und Abtreibung der Tod. Sie gilt als Vorläufer des deutschen Strafgesetzbuches.13)Mit Pflanzen verhüten: Über die Wiederentdeckung einer alten Tradition der selbstbestimmten Geburtenregelung von Birgit Seyr
Für das Thema der Verhütung bleibt wesentlich, dass es früher vielfältige Verhütungsmittel gab und heute nicht mehr gibt. Von allen anderen – womöglich anfechtbaren – Theorien über die Hexenverfolgung und ihre Gründe bleibt diese Tatsache m.E. unberührt.14)Viele Überlieferungen wurden in Empfängnisverhütung – Geschichte Ihrer Beurteilung in der katholischen Theologie und im kanonischen Recht von John T. Noonan zusammengetragen, der Autor untersuchte viele alte Quellen. An Berichten über Empfängnisverhütung aus der Vergangenheit, mangelt es nicht.
Weiter zu den Auswirkungen des Verhütungsverbots auf die Gegenwart
Im Netz:
-
Wer verfolgte die Hexen und warum? von Ottmar Lattorf (kurze Zusammenfassung auf 5 Seiten)
- Wer verfolgte die Hexen-Hebammen? Und warum ? Oder Wie die sexualfeindliche Moral in Europa etabliert wurde von Ottmar Lattorf (Zusammenfassung des Themas auf 36 Seiten mit Beschreibung der vorchristlichen (sexual) Kultur und den Konsequenzen bis heute)
- Religion und Lust: „Alles Schöne ist Sünde! – Ist alles Schöne Sünde?“ von Doris Strahm
(christliche Auseinandersetzung auf 5 Seiten) - Der Hexenhammer von Jakob Sprengler und Heinrich Institoris (übersetzte Ausgabe von 1439)
Literatur:
- Die Vernichtung der weisen Frauen von Gunnar Heinsohn und Otto Steiger
Quellen
1. | ↑ | Die Vernichtung der weisen Frauen – Hexenverfolgung, Menschenproduktion, Kinderwelten, Bevölkerungswissenschaft von G. Heinsohn und O. Steiger 2. Auflage 1985 1. Teil Kapitel II & III in Verweis auf Empfängnisverhütung – Geschichte Ihrer Beurteilung in der katholischen Theologie und im kanonischen Recht von John T. Noonan |
2. | ↑ | Heinsohn & Steiger S.57 selber Verweis |
3. | ↑ | § 219a StGB |
4. | ↑ | Der gefälschte Mensch – Zur Befreiung vom materialistischen Wahn oder die Suche nach dem Ursprung des deutschen Wesens, der idealistisch-deutschen Lebensordnung von Gerrit Ullrich, 2004 in Kerpen; an sich das ganze Buch und seine These und speziell das Kapitel 3.12 Die Inquisition ab S. 225 |
5. | ↑ | Heinsohn & Steiger S.31 |
6. | ↑ | Heinsohn & Steiger Kapitel IV S.90 |
7. | ↑ | Heinsohn & Steiger Kapitel III |
8. | ↑ | Wer verfolgte die Hexen und warum? von Ottmar Lattorf |
9. | ↑ | Heinsohn & Steiger Kapitel IV S.77 ff, eingeklammertes stammt nicht aus dem Hexenhammer, sondern ist die Interpretation von Heinsohn & Steiger aus einer Analyse des Buches |
10. | ↑ | Hier könnte auch die Astralprojektion (Bewusstseinsverlagerung) in Tiere gemeint sein oder halluzinogene Drogen, welche eine solche Verwandlung vorgaukeln. Die Autoren Heinsohn & Steiger kamen aufgrund der Analyse „der ausführlichen Erörterungen der Autoren [des Hexenhammers], ob und wie diese sieben Hexereien möglich sind“ zu dem Ergebnis, es gehe dabei um den Verkehr mit Tieren sowie Homosexualität |
11. | ↑ | Religion und Lust: „Alles Schöne ist Sünde! – Ist alles Schöne Sünde?“ von Doris Strahm – Vortrag im „Café philosophique“ der röm.-kath. Pfarrei und der ev.-ref. Kirchgemeinde Rheinfelden am 19. März 2002 |
12. | ↑ | Empfängnisverhütung bei Naturvölkern von James DeMeo |
13. | ↑ | Mit Pflanzen verhüten: Über die Wiederentdeckung einer alten Tradition der selbstbestimmten Geburtenregelung von Birgit Seyr |
14. | ↑ | Viele Überlieferungen wurden in Empfängnisverhütung – Geschichte Ihrer Beurteilung in der katholischen Theologie und im kanonischen Recht von John T. Noonan zusammengetragen, der Autor untersuchte viele alte Quellen. An Berichten über Empfängnisverhütung aus der Vergangenheit, mangelt es nicht. |